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BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Wiesbaden-Schierstein

4. Presseerklärung zur „Bauplanung am Osthafen“

17.08.2020

Geschichte und aktueller Stand

Planbereich
© Landeshauptstadt Wiesbaden

Am 19.08.2020 berät der Schiersteiner Ortsbeirat unter anderem über die Magistratsvorlagen zu Flächennutzungs- und Bebauungsplan für den Bereich „Osthafen, westlich des Hafenweges“.

Tagesordnung
Magistratsvorlage Flächennutzungsplan
Magistratsvorlage Bebauungsplan

Da es sich um ein sehr komplexes Thema handelt, das den Ortsbeirat schon rund zwanzig Jahre beschäftigt, möchten wir unseren Wissensstand und unsere Einschätzung gerne noch einmal zusammenfassen.

Geschichte

Das Grundstück gehörte vor rund zwanzig Jahren dem Bund, der dort den Neubau der Außenstelle des damaligen Wasser- und Schifffahrtsamtes Bingen plante. Entstanden wäre eine nicht sonderlich hübsche Backstein-Industriearchitektur mit Tonnen- und Bojenlager, hohen Zäunen, großen Stegen und einem ungestörten Zugang des Amtes zum Wasser. Eine durchgängige Promenade am Hafenbecken wäre also zumindest während der Arbeitszeiten des Amtes unmöglich gewesen.

Der damalige Ortsbeirat war entsetzt und hat die Stadt um Hilfe gebeten. Diese hat daraufhin einiges Geld in die Hand genommen, das Grundstück gekauft und mit Hilfe der Stadtentwicklungsgesellschaft (SEG) das Wasser- und Schifffahrtamt an der alten Stelle gegenüber auf der Bismarksaue neu gebaut. Die Stadt ist damals also mit einer erheblichen Summe an Steuergeldern in Vorleistung getreten. Als Ausgleich wurde der SEG damals vertraglich zugesagt, das Grundstück entwickeln und vermarkten zu dürfen. Dazu hat es dann ja auch bereits 2009 eine Bürgerversammlung gegeben:

Einladung zur Bürgerversammlung

Diese Aktivitäten wurden dann aber wegen der auf dem Gelände der Firma A.+E. Fischer gelagerten Chemikalien zunächst gestoppt.

Aktueller Stand

Nach längeren und offenbar nicht immer gut geführten Verhandlungen hat sich die Stadt dann vor einigen Jahren mit der Firma Fischer geeinigt, dass diese die Lagerung von Chlorchemie in Schierstein aufgibt. Neben einer Ausgleichszahlung musste die Stadt sich vertraglich verpflichten, in großen Teilen des betreffenden Gebiets keine Nutzung mit viel Publikumsverkehr zuzulassen. Wohnbebauung, Restaurants oder Hotels sind dort also beispielsweise nicht möglich. Auch eine attraktive Grün- oder Freizeitanlage könnte an diesen Einschränkungen scheitern[1]. Dazu kennen wir allerdings den genauen Wortlaut des Vertrages mit Fischer nicht. Die neue Sommergastronomie durfte auch nur aufmachen, weil sie außerhalb des Vertragsgebiets liegt, nämlich zwischen Promenade und Hafenbecken.

Alter Bebauungsplan

Es ist richtig, dass es einen alten Bebauungsplan gibt, in dem dort eine Grünfläche vorgesehen ist. Allerdings ist es auch üblich, dass man sich rund vier Jahrzehnte später, wenn sich endlich die Gelegenheit ergibt, aktiv zu werden, die städtebaulichen Rahmenbedingungen neu ansieht und die Pläne anpasst.

Gefährdungslage

Kürzlich wurden sogar Beirut-Explosions-Assoziationen geweckt, weil die Firma Fischer unter anderem mit Ammoniumnitrat handele. Gehandelt wird tatsächlich, aber die Ware wird direkt von dem jeweiligen Lieferanten an den Kunden durchgeleitet, lagert also nicht in Schierstein. Am Standort Schierstein gibt es überhaupt keine Genehmigung, Explosivstoffe zu lagern. Die Firma Fischer verweist in diesem Zusammenhang auch auf ihre Informationen zum Qualitätsmanagement:

Qualitätsmanagement der Firma A.+E. Fischer

Bedarf an Büroflächen

Sicher gibt es in Wiesbaden auch andere Stellen, an denen man Büroflächen schaffen kann, sofern in und nach Corona-Zeiten überhaupt noch ein großer Bedarf besteht. Allerdings ist ein attraktiver Standort für die städtische Wirtschaftsförderung gelegentlich ganz wichtig. So ist die Deutsche Anlagen-Leasing (DAL), ein offenbar guter Steuerzahler mit 200 Arbeitsplätzen, für Wiesbaden verloren gegangen und hat ihren Sitz nach Mainz verlegt, weil sie damals am Schiersteiner Hafen nicht bauen durfte und am Petersweg nicht wollte. Die DAL-Arbeitsplätze in Kastel sind ebenfalls dort hingewandert. Und über den Arbeitgeber SCHUFA am Hafen ist der Kämmerer wahrscheinlich letztendlich ganz froh. Hier gibt es eine nicht ganz einfache Abwägung zwischen unterschiedlichen Entwicklungen und Interessen, zumal auch bereits investierte Steuergelder eine Rolle spielen (siehe dazu auch den Absatz zur Geschichte).

Parken

Die sich abzeichnende Parksituation ist aus unserer Sicht weiterhin nicht befriedigend geklärt. Da sind belastbarere Zahlen und Perspektiven erforderlich.

Durchwegung

Bei der vom Ortsbeirat geforderten Durchwegung gibt es immer wieder massive Zweifel an der Realisierbarkeit der geplanten Lösung, die eindeutig ausgeräumt werden müssten.

Klima

Die Frage der klimatischen Auswirkungen ist der entscheidende Punkt und muss eindeutig befriedigender beantwortet werden als bisher. Selbst ein Entgegenkommen, die SEG dort Bürogebäude bauen zu lassen, darf keine Lizenz zur Gewinnmaximierung sein. Die Kriterien des Wiesbadener Klimanotstands müssen in jedem Fall voll umgesetzt werden. Ausgleichsmaßnahmen in einer Kiesgrube in Wiesbadens Osten sind da nicht wirklich hilfreich. Auch ein Antrag zu diesem Thema wurde aus unserer Sicht nicht wirklich befriedigend beantwortet:

Antrag
Antwort

Wenn gebaut wird, dann nur „niedriger, luftiger, schmaler, grüner“, also klimafreundlicher für die Häuser in der Umgebung und für das Hafenbecken. Seien wir uns klar darüber, dass derzeit alle über Corona reden, der Klimawandel aber langfristig viel bedrohlicher für uns alle ist.


[1] Diese Einschätzung wurde von den Vertretern des Stadtplanungsamts während der Sitzung des Ortsbeirats am 19.08.2020 bestätigt.


Erstellt: 17.08.2020, letzte Änderung: 09.09.2020, Autor: W.Richters, © 2000